Kin­der­wunsch Unplug­ged: Fami­lie durch Samen­spen­de

Familie durch Heterologe Insemination

In der Rei­he Kin­der­wunsch Unplug­ged führt Weg­wei­ser Kin­der­wunsch Inter­views mit Frau­en und Män­nern, die sich sehn­lichst ein Kind wün­schen oder die lan­ge kei­ne Kin­der bekom­men konn­ten. Hier spre­chen Betrof­fe­ne über The­men, die nor­ma­ler­wei­se sel­ten zur Spra­che kom­men und oft tabu sind. Du bist auf dei­nem Kin­der­wunsch-Weg mit allen sei­nen Sor­gen, Ängs­ten und Nöten nicht allei­ne.

Heu­te im Inter­view: Tina Wün­sche, Blog­ge­rin

 

Es freut mich, dass ich euch heu­te die Blog­ge­rin Tina Wün­sche vor­stel­len darf. In ihrem Blog “Von Wün­schen, von Eltern und von Kin­dern — Fami­lie durch Samen­spen­de” schreibt sie über die Geschich­te ihrer Fami­lie, die durch Samen­spen­de ent­stan­den ist.

Sie blogt nicht nur für sich, son­dern vor allem für die vie­len Men­schen da drau­ßen, die auf natür­li­chem Weg kei­ne Kin­der bekom­men kön­nen und es auf künst­li­chem Weg ver­su­chen. Beson­ders für die­je­ni­gen, deren Kin­der gene­tisch nicht oder nur zum Teil mit ihnen ver­wandt sind oder sein wer­den.
Im ech­ten Leben heißt Tina anders. Alles ande­re schreibt sie genau­so auf, wie es war. Oder so, wie es sich ange­fühlt hat – der Wunsch nach einem Kind, die Arzt­be­su­che, die künst­li­chen Befruch­tun­gen und schließ­lich die Samen­spen­de.

 

 

Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Wer bist Du? Erzäh­le uns ein wenig über dich selbst.

Tina:

Ich bin 38 Jah­re alt, arbei­te an der Uni­ver­si­tät und lebe in einer schö­nen Stadt in Süd­deutsch­land. Mein Mann und ich haben zwei Kin­der, die mit Hil­fe einer Samen­spen­de ent­stan­den sind – Jonas (5) und Ida (1) – und die uns jeden Tag zu den glück­lichs­ten Men­schen der Welt machen. Also, außer in den zehn­mal täg­lich fünf Minu­ten, in denen sie uns in den Wahn­sinn trei­ben…

 

Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Was hast Du auf Dei­nem Kin­der­wunsch-Weg alles erlebt?

Tina:

Ein Kind haben wir uns seit 2007 gewünscht. Nach einem Jahr haben wir erfah­ren, dass mein Mann fast kei­ne Sper­mi­en hat (OAT III-Syn­drom an guten Tagen, Kryp­to­zoo­sper­mie an schlech­ten). Ich habe Hash­i­mo­to thy­reo­di­tis mit einer leich­ten Unter­funk­ti­on der Schild­drü­se. Da wir ohne Kin­der­wunsch von die­sen „Krank­hei­ten“ nie­mals etwas bemerkt hät­ten, wür­de ich sagen, dass wir kern­ge­sund sind. Psy­chisch aller­dings hat der uner­füll­te Kin­der­wunsch uns die eine oder ande­re Bles­sur zuge­fügt. Wir haben vier ICSIs inner­halb eines Jah­res gemacht, die alle nega­tiv waren. Dann haben wir bei wei­te­ren Blut­tests erfah­ren, dass wir ein so genann­tes HLA-Cross Sha­ring haben, d.h. dass drei der häu­figs­ten Gewebs­ty­pen bei uns über­ein­stim­men, was die Ein­nis­tung eines Embry­os erschwe­ren oder Fehl­ge­bur­ten zur Fol­ge haben kann. Uns wur­de zu einer Part­ner­im­mu­ni­sie­rung gera­ten. Vie­le las­sen das machen – uns kam es zu krass vor. Und so war die­ses Ergeb­nis zusam­men mit dem 4. Nega­tiv das Ende unse­rer gene­tisch-gemein­sa­men Kin­der­wunsch­be­hand­lung. Nicht ein­mal ein hal­bes Jahr spä­ter haben wir die ers­te Dono­ge­ne Inse­mi­na­ti­on machen las­sen. Und dann war ich schwan­ger. Im ers­ten Ver­such. Ich kann das bis heu­te fast nicht glau­ben, aber es war so. Gut drei Jah­re waren es vom Wunsch bis zur Schwan­ger­schaft.

Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Dein Kin­der­wunsch hat sich durch Samen­spen­de erfüllt. Möch­test du uns mehr dazu erzäh­len?

Tina:

Rück­bli­ckend war es eine leich­te Ent­schei­dung, aber damals kam es uns nicht so vor. Das war erst auch etwas ungleich­zei­tig. Ich habe unter den ICSIs phy­sisch und psy­chisch sehr gelit­ten und woll­te kei­ne wei­te­re machen, obwohl wir uns mal fünf als Gren­ze gesetzt hat­ten. Mein Mann hät­te die fünf­te gemacht. Einer unse­rer Ärz­te hat­te schon bei der drit­ten ICSI Samen­spen­de als Opti­on ins Spiel gebracht, und das war für mich dann so ein Stroh­halm für die Zeit nach den ICSIs. Wir waren in die­ser Zeit das ers­te Mal bei einer auf Dono­ge­ne Inse­mi­na­ti­on spe­zia­li­sier­ten Fami­li­en­the­ra­peu­tin, was uns sehr gehol­fen hat. Trotz­dem haben wir dann noch über Adop­ti­on nach­ge­dacht wegen der „gene­ti­schen Gerech­tig­keit“. Auch zu einem Bera­tungs­ge­spräch beim Jugend­amt sind wir gegan­gen. Aus ver­schie­de­nen Grün­den war das am Ende nicht unser Weg.

Pro­ble­me oder Kon­flik­te gibt es mit unse­rer Fami­li­en­ent­ste­hung eigent­lich über­haupt kei­ne. Unse­re engs­ten Freun­de und unse­re Fami­li­en wuss­ten von unse­rer Ent­schei­dung noch vor der Schwan­ger­schaft und fan­den sie gut (mit einer inzwi­schen schwer enkel­ver­lieb­ten Aus­nah­me). Nicht immer nach­voll­zie­hen kön­nen sie, dass wir unse­re Kin­der vom Wickel­tisch an über ihre Ent­ste­hung auf­klä­ren. Sie den­ken, dass es doch bes­ser für alle wäre, wenn man „das“ ein­fach ver­gä­ße. Es war für uns aber immer klar, dass wir kein Fami­li­en­ge­heim­nis wol­len. Unse­re Kin­der sind genau so gewünscht, wie sie zu uns gekom­men sind. Ihre Ent­ste­hung ist für uns zugleich irgend­wie prä­sent und voll­kom­men unwich­tig. Gegen­über dem (anony­men) Samen­spen­der emp­fin­den wir vor allem Dank­bar­keit. Und auch ein biss­chen Neu­gier.

 

Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Was hat dich dazu bewegt, dei­ne Erfah­run­gen in einem Blog zu ver­öf­fent­li­chen?

Tina:

Dafür gibt es eigent­lich zwei Grün­de. Der eine ist, dass für mich die Erfah­run­gen wäh­rend der Kin­der­wunsch­zeit sehr nach­drück­lich prä­gend gewe­sen sind. Sie auf­zu­schrei­ben, hat etwas The­ra­peu­ti­sches.

Der ande­re Grund ist, dass mir die media­le Auf­be­rei­tung von Fami­li­en­ent­ste­hung durch Dono­ge­ne Inse­mi­na­ti­on meis­tens auf den Zei­ger geht. Sach­lich oft falsch, mit schlim­men Über­trei­bun­gen wie „Ein Mann mit 400 Kin­dern!!!“. In der Regel ste­hen ent­täusch­te erwach­se­ne Kin­der im Vor­der­grund, die erst spät von ihrer Ent­ste­hung erfah­ren haben und die nun in eine Iden­ti­täts­kri­se gera­ten sind und anmo­de­riert wer­den als die jun­ge Frau, die „ihren Vater sucht“. (Das mit der Kri­se ver­ste­he ich übri­gens, wes­halb unse­re Kin­der von Anfang an auf­ge­klärt wer­den.)

Die Eltern, die sich so etwas Herz­lo­ses und Ver­rück­tes wie die Zeu­gung durch Samen­spen­de aus­den­ken konn­ten, haben da oft gar kein Gesicht. Das woll­te ich gern ändern – und zei­gen, dass die Eltern weder herz­los noch ver­rückt sind und die Ent­schei­dung zur Dono­ge­nen Inse­mi­na­ti­on – wenigs­tens in unse­rem Fall – sehr abge­wo­gen tref­fen.

Unse­re Geschich­te zu erzäh­len und aus unse­rem All­tag zu berich­ten, wird – hof­fent­lich – auch eine Ermu­ti­gung für ande­re sein, sich für die­sen Weg zu ent­schei­den und offen mit den Kin­dern dar­über zu spre­chen. Aus die­sem Grund soll der Blog irgend­wann in die Jetzt­zeit über­ge­hen, und ich möch­te dann dar­über schrei­ben, ob und wie unse­re Kin­der irgend­wann auf die Auf­klä­rung über ihre Ent­ste­hung reagie­ren. So wie es der­zeit mit dem Gro­ßen läuft, wird das aller­dings ein sehr lang­wei­li­ger Blog. Den inter­es­siert es näm­lich nicht die Boh­ne. Bis­lang.

Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Was waren für dich die größ­ten Her­aus­for­de­run­gen und Pro­ble­me in Bezug auf den uner­füll­ten Kin­der­wunsch?

Tina:
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Ach, das war irgend­wie alles eine ein­zi­ge Her­aus­for­de­rung. Das War­ten, die „guten Tipps“ des Umfelds, die Ter­mi­ne, vier Mal erfolg­lo­se ICSI, die Panik­at­ta­cken danach…

Am schlimms­ten war viel­leicht die Unge­wiss­heit, ob wir nach einem lan­gen Weg wirk­lich ein Kind haben wür­den.

Und gleich­zei­tig gra­ben die Behand­lun­gen ja an der Sub­stanz. Die Angst war immer, am Ende ohne Kind vor einem vom Platz­ver­drän­ger Kinderwunsch(-behandlung) ent­kern­ten Leben zu ste­hen.

 

 

 

 

Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Gab es für dich einen per­sön­li­chen Tief­punkt und wie hast du ihn über­wun­den?


Tina:

Das war die Zeit nach den vier ICSIs. Da hat mein Kopf nicht mehr mit­ge­spielt und ich habe Panik­at­ta­cken bekom­men. Über­wun­den haben wir die­sen Tief­punkt ein wenig durch Aktio­nis­mus – Gesprä­che mit der Fami­li­en­the­ra­peu­tin, mit einer Psy­cho­the­ra­peu­tin, im Jugend­amt, mit Freun­den und Fami­lie.

Haupt­säch­lich aber – ganz ehr­lich – mit der Schwan­ger­schaft. (Ich weiß, das ist jetzt kein Tipp zum Nach­ma­chen…) Wäre es nicht so gekom­men, dann hät­te ich sicher eine län­ge­re Pau­se gebraucht.

Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Was gab dir sonst noch Kraft und Mut auf dei­nem Weg?

Tina:

Schwanger durch Samenspende

Die Sicher­heit, dass mein Mann und ich zusam­men­ge­hö­ren, auch wenn wir kin­der­los blei­ben, war am wich­tigs­ten. Ich wuss­te immer, dass unser Leben in ein paar Jah­ren wie­der gut wür­de – mit oder ohne Kin­der. Auch wenn der Schmerz über den uner­füll­ten Wunsch wohl immer irgend­wo geblie­ben wäre. Um mit die­sem „in ein paar Jah­ren“ irgend­wann anfan­gen zu kön­nen, war es wich­tig, dass wir uns eine Behand­lungs­gren­ze gesetzt haben. Die war nicht in Stein gemei­ßelt, aber doch so eine Ori­en­tie­rungs­li­nie.

Für die Ent­schei­dung zur Samen­spen­de war das Forum wunschkinder.de eine gro­ße Hil­fe. Dafür war sicher­lich eben­so wich­tig, dass der Wunsch nach einem Kind nie zwin­gend der Wunsch nach einem gene­tisch eige­nen Kind war. Eltern­schaft hängt für mich nicht an gene­ti­scher Repro­duk­ti­on. War­um soll­te ich aus­ge­rech­net mein Kind weni­ger lie­ben, weil es nicht mei­ne Gene hat, wo ich doch auch sonst Men­schen lie­ben kann, mit denen ich nicht bluts­ver­wandt bin?

 

 

Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Wie offen bist Du mit dem uner­füll­ten Kin­der­wunsch umge­gan­gen? Wuss­ten dei­ne Fami­lie, Freun­de, Arbeit­ge­ber, etc. davon?

Tina: 

Sehr offen bei Fami­lie, Freun­den und Bekann­ten, nicht aber beim Arbeit­ge­ber. (Der hät­te das nicht ver­stan­den, hat es aber man­gels Anwe­sen­heits­pflicht auch gar nicht gemerkt.) Wir haben mit weni­gen Aus­nah­men nur gute Erfah­run­gen mit die­ser Offen­heit gehabt. Nicht zuletzt haben wir dadurch vie­le Geschich­ten ande­rer erfah­ren.

Von der Samen­spen­de wis­sen aller­dings nur die engs­ten Freun­de und unse­re Fami­li­en. Durch die Auf­klä­rung der Kin­der kann sich das zwar jeder­zeit ändern, aber jetzt fühlt es sich rich­tig so an. Um zu ver­mei­den, dass unse­re Kin­der als „Wun­der“ hin­ge­stellt wer­den (das sie ja übri­gens wie alle Kin­der auch sind), haben wir allen ande­ren erzählt, dass sie durch eine fünf­te ICSI ent­stan­den sind.

 

Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Wur­dest Du in Bezug auf den Kin­der­wunsch mit unsen­si­blen Fra­gen oder gut gemein­ten Rat­schlä­gen kon­fron­tiert? Kannst Du uns ein Bei­spiel nen­nen und erzäh­len, wie du damit umge­gan­gen bist.

Tina: 

Ja, stän­dig. Vor allem die Sache mit der Ent­span­nung wird einem ja wirk­lich von jedem unge­fragt aufs Ohr gedrückt. Lei­der, lei­der habe ich da bis heu­te kei­nen guten Umgang mit gefun­den. Es regt mich noch heu­te maß­los auf, wenn ich das irgend­wo lese oder höre.

 

Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Möch­test Du den Lesern sonst noch etwas mit auf den Weg geben? 

Tina:

Die Ent­schei­dung für die Samen­spen­de war für uns gold­rich­tig. Ich fin­de aber, dass das schon etwas ist, über das man sorg­fäl­tig nach­den­ken soll­te. Per­sön­lich wür­de ich auch sagen, dass wirk­lich alles dar­auf hin­weist, dass es bes­ser ist, die Kin­der über ihre Ent­ste­hung auf­zu­klä­ren. Damit hängt zusam­men, dass ich eine Samen­bank wäh­len wür­de, die die Spen­der­da­ten bei einem Notar hin­ter­legt, wo die voll­jäh­ri­gen Kin­der sie sich geben las­sen kön­nen. Ganz vie­le Infor­ma­tio­nen auch zu recht­li­chen Fra­gen kann man auf der Sei­te www.di-netz.de bekom­men.

Den Kin­der­wunsch all­ge­mein betref­fend wür­de ich viel­leicht raten, was immer Ihr tut, gemein­sam zu tun. Und sich auch gemein­sam Gren­zen für den Kin­der­wunsch­weg zu set­zen – zeit­lich, finan­zi­ell, mora­lisch, medi­zi­nisch oder was immer für Euch wich­tig ist.

Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Vie­len Dank Tina, dass du uns die­se Fra­gen so offen beant­wor­tet hast. Ich bin mir sicher, dass dei­ne offe­nen Wor­te eine Ermu­ti­gung für ande­re Paa­re sein kön­nen, sich für die­sen Weg zu ent­schei­den und offen mit den Kin­dern dar­über zu spre­chen. Wir wün­schen dir mit dei­ner Fami­lie wei­ter­hin alles Gute.

 

Wie immer kannst du als Leser die­sen Bei­trag unten kom­men­tie­ren. Tina wird dar­über eben­falls freu­en.

 

1 Kommentar
  1. Jonas sagte:

    Guten Tag lie­be Mit­le­ser,
    vie­len Dank für die­sen infor­ma­ti­ven Bei­trag. Die künst­li­che Befruch­tung kann vie­len kin­der­lo­sen Fami­li­en aus­hel­fen, sodass ich die­sem The­ma stets mei­ne vol­le Auf­merk­sam­keit wid­me, wenn es Fort­schrit­te in der For­schung erzielt wur­den. Pas­send dazu bin ich vor kur­zem auf eine Sei­te gesto­ßen, die sich mit der IVF beschäf­tigt.

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