KIR Gene fehlen – kann ich trotzdem schwanger werden?
Wenn KIR-Gene fehlen, kann dies ein Grund für Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten sein. Lisa hat kürzlich die Diagnose „fehlende KIR-Gene“ bekommen und sich danach intensiv mit dem Thema beschäftigt. In verständlichen Worten erklärt Lisa hier was KIR-Gene sind und warum sie wichtig sind, um schwanger zu werden.
Lisa ist keine Ärztin und gibt ihr Wissen weiter, dass sie aus vielen Quellen (darunter auch englischen Publikationen) gesammelt hat. Wenn ihr selbst betroffen seid, ist dieser Artikel eine Grundlage, um euch mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wenn du dich mit Lisa austauschen möchtest, findest du Sie auf Instagram unter dem Benutzernamen @klisachen
Was sind KIR Gene?
Die Abkürzung steht für „killer cell immunoglobulin-like receptors“, also Killerzell-Immunglobulin-ähnliche Rezeptoren. Es sind bestimmte Rezeptoren in der Zellmembran von Killerzellen, also ein Teil unseres Immunsystems.
Die KIR-Gene sind am Chromosom 19 angesiedelt, bisher sind 16 verschiedene KIR-Gene bekannt. Die Anzahl der vorhandenen KIR-Gene variiert von Mensch zu Mensch. Killerzellen haben generell die Aufgabe, fremde, von außen eindringen Zellen zu erkennen und zu zerstören.
Die KIR-Gene (Rezeptoren) kann man sich als biegsame Schlösser vorstellen. Die fremden Zellen haben in ihrer Zellwand kleine Arme (HLA-Moleküle), die in der HLA-Diagnostik wie kleine Schlüssel aussehen. Die natürliche Killerzellen (NKs), deren Aktivität durch die KIRs beeinflusst wird, tasten die fremden Zellen ab und suchen nach Schlüsseln.
Das heißt, die Rezeptoren werden genutzt, um Informationen über die Zelle, mit der sie in Kontakt treten, zu sammeln. Sie detektieren Proteine, die als humane Leukozyten-Antigene (HLAs) bekannt sind und die an der Oberfläche anderer Zellen vorkommen. Bei z.B. Tumorzellen oder infizierten Zellen ist häufig die Oberflächen-Präsentation der HLA-Proteine gestört. Identifiziert eine NK eine solche veränderte Zelle, setzt sie Toxine frei, die zur Abtötung der Zielzelle führen.
Die Aktivierung der NKs wird durch ein komplexes Gleichgewicht von aktivierenden und inhibierenden (= hemmenden) Rezeptoren und ihrem Bindungspartner, den HLA-A-, HLA-B- und HLA-C-Proteinen, gesteuert.
Anhand eines Bluttest kann herausgefunden werden, ob der Frau bestimmte KIR-Gene fehlen, die für die Einnistung wichtig sind.
KIR Gene und Kinderwunsch
Ein Tumor oder ein Spenderorgan und ein Embryo haben ähnliche Eigenschaften. Der Tumor ist eine Anhäufung bösartiger Zellen, das Spenderorgan besteht aus körperfremden Zellen. Auch ein Embryo ist teilweise körperfremd, da er zur Hälfte aus Erbinformationen des Vaters besteht.
Die Rezeptoren haben also die Aufgabe, den körperfremden Teil des Embryos zu identifizieren. Sie koordinieren die Kommunikation zwischen den Killerzellen und dem Embryo, damit diese keine Toxine freisetzen. Fehlen ein oder mehrere KIR-Gene, kommt es zu einer fehlerhaften Informationsvermittlung zwischen den Killerzellen und dem Embryo, diese stufen den Embryo dann als gefährlich ein.
Die KIR-Typisierung erfolgt durch eine Blutuntersuchung, es gibt 3 große Gruppen: AA, AB und BB. Der Genotyp AA stellt das größte Risiko dar, hier besitzt die Frau keine oder nur einen aktivierenden Rezeptor (Hinweis: hierzu habe ich unterschiedliche Angaben bei der Recherche erhalten). Hierbei ist dem aktivierenden Rezeptor KIR-2DS1 vermutlich die größte Bedeutung zuzuschreiben. 30-40% aller Frauen in Europa weisen den KIR-Rezeptortyp AA auf.
Auch die Reaktionen zwischen KIR und HLA können in jeder Schwangerschaft variieren, je nachdem, welches der beiden väterlichen HLA-C-Allele der Embryo geerbt hat. HLA-C sind Antigene im Körper, die in 2 Gruppen unterteilt werden: HLA-C1 und HLA-C2. Ist die Mutter Genotyp AA und hat der Embryo mehr HLA-C2-Gene als die Mutter, besteht ein höheres Risiko für Komplikationen, z.B. Präeklampsie.
Warum die HLA-C1-Gene nicht ein solches Risiko wie die HLA-C2-Gene mit sich bringen, konnte bisher noch nicht festgestellt werden.
KIR Gene fehlen – Kann ich schwanger werden?
Was kann bei einer Diagnose fehlender KIR-Gene getan werden?
Für Frauen mit dem Typ AA ist es statistisch gesehen sicherer, nur 1 Embryo transferiert zu bekommen. So werden die uterinen natürlichen Killerzellen (uNKs, also NKs in der Gebärmutter) und damit die KIRs mit weniger körperfremden Zellen konfrontiert (= so wenig fremdes Erbgut wie möglich). In einer empirischen Untersuchung war beim Transfer von 2 Embryonen im Vergleich zum Transfer von nur einem Embryo eine signifikant erhöhte Fehlgeburtenrate festzustellen.
Häufig erfolgt eine Behandlung mit dem Medikament Granocyte. Dieses kommt eigentlich aus der Krebsbehandlung, sodass in der Kinderwunschbehandlung ein sogenannter off-label-use erfolgt (= keine Zulassung für dieses Gebiet). Granocyte entspricht dem Protein bzw Wachstumsfaktor G-CSF = Granulozyten-Kolonie stimulierender Faktor. Dieser wird auch im Körper, somit auch der Gebärmutter produziert. Dieses Protein reguliert das Wachstum sowie die Signalübertragung von Zellen.
Das Medikament wird z.B. auch bei Knochenmarkspenden eingesetzt, um ein Abstoßen zu verhindern. Granocyte übernimmt die Rolle der fehlenden KIR-Gene und optimiert die Kommunikation zwischen Mutter und Embryo. Es beschleunigt das Zellwachstum, die Zellteilung und die Bildung von weißen Blutkörperchen, was wichtige Voraussetzungen für die Einnistung sind.
Mögliche Nebenwirkungen des Medikaments können grippeähnliche Symptome, wie Kopfschmerzen, Mattigkeit, Knochenschmerzen und Rückenschmerzen in. In seltenen Fällen kommt es zu pulmonalen Nebenwirkungen (>0,01% und <0,1%). Es darf nicht angewendet werden bei einer bekannten Leukozytose (zu viele weiße Blutkörperchen im Blut).
Ergebnis: Das Themengebiet ist noch sehr wenig erforscht und es gibt nur wenige Studien hierzu. Auch gab es sehr unterschiedliche Erfahrungen mit Granocyte:
Bei einigen Frauen klappte es endlich mit der Einnistung, bei anderen waren keine Erfolge zu verzeichnen. Das Medikament kostet in Deutschland ca. 150€/Spritze (in Frankreich ca. 55€/Spritze). Je nach Behandlungsplan können es pro Versuch ca. 20 Spritzen werden. Ebenfalls werden viele Frauen Typ AA auch ohne Medikamente schwanger.
KIR Gene – Weiterführende Literatur
- „Why natural killer cells are not enough: a further understanding of killer immunglobulin-like receptor and human leukocytw antigen“
Diana Alecsandru, M. D., PH. D. and Juan A. Garcia-Valesco, M. D., Ph. D. - „Variation of maternal KIR and fetal HLA-C genes in reproductive failure: too early for clinical intervention“
Ashley Moffett, Olympe Chazara, Francesco Colucci, Martin H Johnson - „Maternal KIR haplotype influences live birth rate after double embryo transfer in IVF cycles in patients with recurrent miscarriages and implantation failure“
D. Alecsandru, N. Garrido, J. L. Vicario, A. Barrio, P. Aparicio, A. Requena, and J.A. Garcia-Valesco - IVF-SAAR -> Granozyte/Granocyte
Bild: Canva – F019/2490
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