Endometriose und 4. ICSIs: Das Wort „schwanger“ auf dem Clearblue-Test werde ich niemals vergessen.
Heute im Interview:
Kiwu_on_my_mind (Instagram-Name): 33 Jahre, Endometriose, nach der 4. ICSI schwanger
Kiwu_on_my_mind habe ich wie viele andere Kiwu-Mädels auf Instagram kennengelernt. Dort gibt es eine tolle Community rund um den Kinderwunsch. Sie hat auch nach 3 ICSIs nicht aufgegeben und weiter daran mit Endometriose schwanger zu werden.
Wegweiser Kinderwunsch:
Wer bist Du? Erzähle uns ein wenig über dich selbst.
Kiwu_on_my_mind:
Ich bin 33 Jahre alt, wohne mit meinem Mann und meinem Sohn (jetzt 8 Monate) in Stuttgart und bin von Beruf Gymnasiallehrerin.
Wegweiser Kinderwunsch:
Was hast Du auf Deinem Kinderwunsch-Weg alles erlebt?
Kiwu_on_my_mind:
Unser Wunsch nach einem eigenen Kind kam im Oktober 2013. Gute Freunde von uns bekamen ihr 2. Kind, wir besuchten sie im Krankenhaus und als wir den kleinen Bub auf dem Arm hatten, wussten wir beide: Das wollen wir nun auch. Wir waren zu diesem Zeitpunkt bereits 5 Jahre zusammen, im Job hatten wir beide Fuß gefasst und so beschlossen wir dann direkt, die Verhütung abzusetzen. Komischerweise hatte ich von Beginn an ein schlechtes Gefühl und ahnte irgendwie, dass es nicht einfach so klappen würde. Diese komische Vorahnung sollte sich leider bewahrheiten.
Natürliche Familienplanung – ohne Erfolg
Wir versuchten es fortan also erstmal ganz unkompliziert nach Lust und Laune, einige Monate später probierte ich Ovulationstests aus und wir schauten schon ziemlich genau, dass wir den Eisprung auch nutzten. Jedoch geschah weiterhin nichts.
Clomifen & Co
Im Sommer 2014 ging ich dann zum Frauenarzt und erzählte meiner Ärztin von unseren bisherigen Versuchen. Blutbild und Zyklusmonitoring ergab, dass die 2. Zyklushälfte zu kurz war und so wurde ich mit Clomifen und Progesteron ausgestattet um dem ganzen auf die Sprünge zu helfen.
Nach 5 Zyklen mit Clomifen und zwei Spermiogrammen, die aber in Ordnung waren, war ich immer noch nicht schwanger und so saß ich im November 2014 (ein Jahr nach dem „Startschuss“) wieder bei meiner Ärztin und hörte die Worte: „Ich bin mit meinen Möglichkeiten hier am Ende. Ich muss sie in eine Kinderwunschklinik überweisen“.
Das war der erste harte Schlag. Uns konnte von „normalen“ Ärzten nicht mehr geholfen werden, wir mussten zu einem Reproduktionsspezialisten. Dieses Wort allein machte mir Angst.
Diagnose Endometriose
Im Dezember 2014 hatten wir dann unser Erstgespräch in der Kinderwunschklinik. Nach weiteren Blutuntersuchungen und Ultraschalls lag ich 14 Tage nach dem Erstgespräch bereits im Krankenhaus um meine erste Bauchspiegelung zu bekommen. Diese brachte dann endlich Gewissheit, warum wir nicht schwanger wurden: Ich hatte Endometriose, und nicht gerade wenig.
Als ich aus der Narkose aufwachte, kam der Arzt und erklärte mir, dass ich überall Verwachsungen hatte und ein Eileiter komplett verschlossen war. Es wurden zwar alle Endometrioseherde beseitig, aber dennoch war die Prognose sehr niederschmetternd: „Sie haben etwa eine 3%ige Wahrscheinlichkeit auf normalem Wege schwanger zu werden.“ – Das waren die schlimmsten Worte, die ich bis dahin gehört hatte und es brach eine Welt für mich zusammen, da ich immer noch gehofft hatte, dass es irgendeine Kleinigkeit sein würde, die man schon mit ein paar Pillen beseitigen könnte.
1. & 2. ICSI
Nach einer Weihnachtszeit, die von einem irrsinnigen Versicherungspapierkrieg geprägt war (wir waren nicht verheiratet und gemischt versichert: Ich privat, mein Freund gesetzlich), starteten wir im Februar 2015 mit unserer 1. ICSI. Wir wussten zwar, dass es mehrere Versuche benötigen kann, dennoch glaubten wir, dass wir vielleicht zu den „lucky ones“ gehören, bei denen es sofort funktioniert. Die Stimulation lief gut, ich bekam zwei schöne Blastozysten transferiert, doch leider endete die 1. ICSI ohne Schwangerschaft. HCG glatt Null. Genau das gleiche Ergebnis hatten wir bei ICSI Nr. 2 im April 2015 und ICSI Nummer 3 im Oktober 2015, obwohl ich mich vor der dritten ICSI sogar nochmal einer Bauchspiegelung unterzog.
Immunulogischen Untersuchung
Ende 2015 waren wir ausgebrannt. Ich konnte nicht mehr, sowohl körperlich als auch psychisch. Auf eigene Faust beschlossen wir uns an Dr. Reichel-Fentz (Transfusionsmedizinerin) zu wenden um dort unser Blut untersuchen zu lassen. Ich war mir inzwischen sicher, dass da noch mehr nicht stimmte mit mir. Kurz vor Weihnachten 2015 fuhren wir also insgesamt 18 Röllchen Blut in die Pfalz zu Dr. Reichel-Fentz und erholten uns ins der Wartezeit danach von den vorherigen Behandlungen. Die Wartezeit bis zum Ergebnis der immunulogischen Untersuchung nutzte ich auch dazu um etwa 10 Kg abzunehmen.
Im Frühjahr 2016 dann Gewissheit: Mein Immunsystem war zu aktiv, meine Killerzellen zu hoch, sie griffen den Embryo als „Fremdmaterial“ an und verhinderten eine Einnistung. Das, zusätzlich zur Endometriose, verhinderte wohl, dass ich schwanger wurde: Ich bekam einen neuen Behandlungsplan für die 4. ICSI: Intralipid-Infusionen, Cortison, Heparin und ein anderes Protokoll mit Downregulierung im Vorzyklus. Meine Kinderwunschklinik war so mittel begeistert von dem Plan, denn sie hielt nicht so viel von Dr. Reichel-Fentz, versprach aber den Plan mit mir so umzusetzen.
4. ICSI: Positiv
Ende Mai begann unsere 4. ICSI. Noch nie bekam ich so viele Infusionen, Spritzen und Medikamente. Obwohl ich natürlich hoffte, dass dieser neue Ansatz uns hilft, glaubte ich nicht so recht daran und war auf ein erneutes Negativ eingestellt. Doch dann hielt ich am 19. Juni 2016 den ersten positiven Schwangerschaftstest meines Lebens in den Händen. Das Wort „schwanger“ auf dem Clearblue-Test werde ich niemals vergessen.
Es war ein unglaublicher Moment. Ob die Senkung meines Immunsystems nun wirklich der ausschlaggebende Punkt war, oder ob wir die 3 Versuche zuvor jeweils nur „Pech“ hatten, das weiß ich nicht. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass wir ohne diesen letzten Schritt der immunologischen Untersuchung nicht schwanger geworden wären. Im Februar 2017 kam dann unser lang ersehntes Wunschkind gesund per Kaiserschnitt zur Welt.
Wegweiser Kinderwunsch:
Was waren für dich die größten Herausforderungen und Probleme in Bezug auf den unerfüllten Kinderwunsch?
Kiwu_on_my_mind:
Die größten Herausforderungen in der Kinderwunschzeit waren für mich die bürokratischen Hürden und der Umgang mit Freunden und Bekannten, die von unserem schweren Weg nichts wussten. Wir weihten nur sehr wenige Freunde ein, nicht mal alle in der Familie wussten Bescheid. Außerdem war es wahnsinnig schwer die ganzen Arzttermine während den ICSI-Zyklen beruflich unter einen Hut zu bringen, da ich als Lehrerin nicht einfach frei nehmen konnte. So flitzte ich oft in Pausen oder Freistunden schnell zum Blut abnehmen und zurück in den Unterricht. Immer mit einer passenden Ausrede, wenn Kollegen fragten, wo ich denn war.
Auch die Partnerschaft litt sehr in der Kinderwunschzeit. Ich war nach den negativen ICSI für mehrere Wochen nicht zu gebrauchen, war niedergeschlagen und versuchte gesellschaftliche Ereignisse wie Feste oder Familienfeiern zu meiden. Ich hatte einfach keine Lust auf andere Menschen. Eine so niedergeschlagene Partnerin über mehrere Monate an seiner Seite zu haben, war auch für meinen Freund nicht leicht. Heute kann ich sagen, dass uns diese Zeit nur noch stärker gemacht hat.
Wegweiser Kinderwunsch:
Gab es für dich einen persönlichen Tiefpunkt und wie hast du ihn überwunden?
Kiwu_on_my_mind:
Der persönliche Tiefpunkt war die Zeit nach der 3. negativen ICSI im Herbst 2015. Wir haben drei ICSI relativ schnell innerhalb von 8 Monaten durchgezogen. Wir waren beide ausgebrannt. In einem Gespräch mit einer neuen Ärztin in unserer Kinderwunschklinik wurde uns dann gesagt, dass die Chancen nach drei negativen Versuchen nun doch sehr schlecht aussähen und sie alle immunologischen Untersuchungen, die ich anstrebte für „Humbug“ hielt. Nach diesem Gespräch ging es mir lange Zeit ziemlich schlecht und es dauerte viele Monate, bis wir neuen Mut für die 4. (und letztendlich erfolgreiche) ICSI hatten. Geholfen hat eigentlich nur die Zeit, die vergangen ist und gute, enge Freunde und Familie, die mir neuen Mut gaben.
Wegweiser Kinderwunsch:
Was hat dir Kraft und Mut auf deinem Weg gegeben?
Kiwu_on_my_mind:
Ein Zitat, was mich immer während dieser Zeit begleitet hat, war: „Everything will be ok in the end. If it’s not okay, it’s not the end.“ Ich war einfach noch nicht bereit aufzugeben und hätte auch noch mehr ICSI-Versuche unternommen. Wir waren zu dem Zeitpunkt noch nicht am Ende. Auf meinem dreijährigen Weg zum Baby haben mir auch liebe Menschen aus dem Internet immer wieder aufbauende Worte geschickt. Auf Instagram gibt es wirklich eine tolle Kinderwunsch-Community, in der man sich gegenseitig Tipps und Hilfe anbietet. Ich habe ein paar tolle Freundinnen dort gefunden, die einen ähnlichen Weg gehen musste. Sowas verbindet.
Wegweiser Kinderwunsch:
Wie offen bist Du mit dem unerfüllten Kinderwunsch umgegangen?
Kiwu_on_my_mind:
Nach der Geburt haben wir nach und nach mehr Leuten von unserem Weg erzählt. Vielen waren schockiert und Sätze wie „das hätten wir niemals vermutet“ fielen sehr oft. Unerfüllter Kinderwunsch ist leider immernoch ein Tabu-Thema. Ich selbst fühlte mich auch sehr unwohl in der Zeit vor der Geburt darüber zu reden. Als Frau fühlt man sich als totale Versagerin, wenn das scheinbar Einfachste auf der Welt bei einem selbst nicht klappt.
Andere Frauen im Freundes- und Bekanntenkreis schwanger werden zu sehen, war pure Folter. An manchen Tagen konnte ich es einfach nicht mehr ertragen. Auch im Beruf war man Schwangerschaften von Kolleginnen ständig ausgesetzt und musste trotzdem die Fassade von „ich freu mich so für dich„ aufrecht erhalten. Mir gelang das nicht immer, was auch ein paar Freundschaften gekostet hat.
Wegweiser Kinderwunsch:
Wurdest Du in Bezug auf den Kinderwunsch mit unsensiblen Fragen oder Kommentaren konfrontiert?
Kiwu_on_my_mind:
Das schlimmste und prägendste Erlebnis hatten wir bei einem 50. Geburtstag einer Bekannten, der genau einen Tag nach dem Ergebnis der ersten negativen ICSI stattfand. Wir waren auf diesem Geburtstag und nach ein paar Bier und Wein wurde die Gesellschaft immer redseliger. Irgendwann kam die unvermeidbare Frage: „Wann kriegt ihr beide denn endlich mal Kinder? So schwer ist es doch nicht. Oder muss man euch etwa zeigen wie es geht? Ihr seid ja auch schon über 30 beide. Keiner will alte Eltern.“ Dabei schlugen sich alle Anwesenden vor Lachen auf die Schenkel, kniffen meinen Freund in die Seite und lachten herzlich. Ich entschuldigte mich, verschwand auf der Toilette und brach in Tränen aus. Wie mein Freund sich in dem Moment gefühlt haben muss, kann ich nur erahnen. Ereignisse dieser Art kamen immer mal wieder vor, was auch dazu führte, dass ich Treffen dieser Art immer öfter mied.
Wegweiser Kinderwunsch:
Wie weit wärst Du für den Kinderwunsch gegangen? Gab es einen Plan B ?
Kiwu_on_my_mind:
Wir hätten 6–7 ICSI durchgeführt, mehr jedoch nicht. Eine Samenspende war kein Thema, da ich ja die Verursacherin der Kinderlosigkeit war. Eine Eizellspende kam auch nicht für uns in Frage. Ich wollte ein Baby, das mit uns beiden genetisch verwandt ist. Hätten alle ICSI-Versuche nichts gebracht, hätten wir vielleicht über Adoption nachgedacht. So weit waren wir damals aber noch nicht.
Wegweiser Kinderwunsch:
Welche Tipps hast du für andere Paare mit Kinderwunsch?
Kiwu_on_my_mind:
Mein Rat ist es, sich guten Freunden und Bekannten anzuvertrauen. Es bringt nichts, alles in sich reinzufressen und alles mit sich selbst auszumachen. Des weiteren sind gute Ärzte wirklich Gold wert. Man braucht Ärzte, denen man voll vertrauen kann und die bei so einem schweren Weg vielleicht auch etwas mehr als das Allernötigste für einen tun. Ich hatte mit meinem Hausarzt und meiner Gynäkologin zwei Ärzte, die mich immer wieder aufgefangen haben. Ein weiterer Rat ist: Nicht aufgeben, auch wenn es länger dauert. Auch wenn manche Ärzte behaupten, dass man in der Regel mit 3 ICSI schwanger wird, kann ich nun aus eigener Erfahrung sagen: Es gibt genug Frauen, die bei Versuch vier oder fünf oder sechs schwanger werden.
Wegweiser Kinderwunsch:
Möchtest Du den Lesern sonst noch etwas mit auf den Weg geben?
Kiwu_on_my_mind:
Ich wünsche allen, die jetzt noch am Anfang dieser Kinderwunsch-Reise stehen alles Gute, viel Geduld und gute Nerven. Selber aktiv werden ist das A&O. Informiert euch, welche Methoden andere angewendet haben und holt euch Rat von Frauen, denen es ähnlich geht. Man braucht einen langen Atem und muss gegenüber Versicherungen auch manchmal die Ellbogen ausfahren, aber am Ende wird man vielleicht doch mit dem allergrößten Geschenk belohnt. Rückblickend bin ich froh und ziemlich stolz auf uns, dass wir durchgehalten haben und jetzt eine kleine Familie sind.
Wegweiser Kinderwunsch:
Vielen Dank für Deine bewegende Geschichte, die bestimmt vielen Frauen auf ihrem steinigen Weg Mut macht. Manchmal darf man einfach nicht zu schnell aufgeben und es wird belohnt. Alles Gute weiterhin für dich und deine Familie!
Ich bin Claudia. Kinderwunsch-Bloggerin mit über 10 Jahren eigener Kinderwunsch-Erfahrung: Endometriose-Fighterin, IVF-Kennerin, ICSI-Schwester, Pimp my Eggs Befürworterin und Initiatorin der Kinderwunsch-Bewegung #1von7
Hallo Anja
Darf ich dich fragen, wenn ich diese immunologischen Untersuchungen machen möchte. Kann ich da einfach zum Frauenarzt und sagen sie sollen mir Blutabnahmen ich möchte eine immunologische Untersuchung machen? Vielen Dank für deine Hilfe.
Liebe Simona,
Die Untersuchung wird beispielsweise hier gemacht: http://www.immu-kinderwunsch.de
Ich finde es stark, dass Du nicht aufgegeben hast und hattest auch Glück, dass Deine Kinderwunschklinik die Behandlung trotz Zweifeln durchgeführt hat.
Es gibt wieder etwas Hoffnung aber ich bin auch durcheinander und weiß nicht ob es bei mir auch was bringt. Mein Mann und ich haben Kinderwunsch seit 2012, 2014 Diagnose Endometriose im Bauchraum ein Eileiter war zu. 2015 Beginn Clomifenbehandlung Juli 2016 erste IVF August 2 IVF u Januar 17 1. ICSI alles erfolglos im April 17 Transfusionsmedezin viele erhöhte Antikörper OP im Mai mit Diagnose adenomyose Dr Korell aus Neuss empfahl uns auch mit immunologischer Behandlung zu versuchen. Leider hält unsere Kinderwunschpraxis nichts davon. Ich verstehe die Repromediziner nicht. Für mich war die ablehnende Haltung ein Stich im Herz es fühlt sich so an als würde jemand mir einen Riegel vorschieben. Ich erkenne aber durch deinen Kampf dass aufgeben auch nicht die Lösung ist. Was mir nur sorgen macht ist meine Fruchtbarkeit noch gut schließlich sind mein Mann und ich dieses Jahr 39 geworden.
Von welchem Arzt hast Du dein Blut abnehmen lassen um damit zu Reichel Fentz zu fahren. Endokrinologe? Ich will mich wieder schlau machen was ich noch möglich machen kann.
Ich danke Dir für Deine offene Geschichte. Alles Gute
Hallo!
Ich habe das Blut von der Kinderwunschklinik abnehmen lassen und für die späteren Kontrollen in der Schwangerschaft vom FA. Das macht aber gar antiert auch jeder Hausarzt. Meine Kiwu war auch nicht mehr. Aber Hey. Wir sind die Patientinnen. Wir entscheiden was mit uns passiert. Ich hatte nichts mehr zu verlieren. Ich kann dir nur zur immunologischen Untersuchung raten. Alles Gute!!