„Heu­te bin ich in The­ra­pie und weiß noch nicht, wo die Rei­se hin­ge­hen soll.“

Depression bei Kinderwunsch


Wie­der mal habe ich mich auf Insta­gram nach Frau­en umge­hört, die ger­ne von ihrem Kin­der­wunsch-Weg berich­ten möch­ten. Ins­ge­samt haben sich fast 30 Frau­en gemel­det. Echt stark! Ich fin­de es toll, wenn wir gemein­sam so vie­le unter­schied­li­che Geschich­ten und Wege erzäh­len. Eini­ge gehen gut aus, ande­re sind sehr trau­rig. Und jeder Ein­zel­ne muss für sich ler­nen, damit klar zu kom­men.

Indem dar­über gespro­chen wird, kann viel erreicht wer­den.  Ande­re betrof­fe­ne Paa­re kön­nen für sich selbst dar­aus ler­nen und stel­len fest, dass sie nicht allei­ne sind. Und das Tabu­the­ma „uner­füll­ter Kin­der­wunsch“ bekommt mehr Auf­merk­sam­keit.

Kin­der­wunsch Unplug­ged — Heu­te im Inter­view

Katha­ri­na: 33 Jah­re (2 IVFs, 3 Kry­os)

 Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Wer bist Du? Erzäh­le uns ein wenig über dich selbst.

Katha­ri­na:

Ich bin Katha­ri­na, 33, ver­hei­ra­tet, aber seit kur­zem getrennt, Ber­li­ne­rin, habe kei­ne Kin­der und bin PR-Bera­te­rin – momen­tan jedoch auf­grund von Depres­sio­nen und Schmer­zen durch Endo­me­trio­se krank­ge­schrie­ben. Ich habe beruf­lich viel mit dem The­ma Kin­der­wunsch zu tun gehabt, da ich eine Mes­se für Men­schen mit Kin­der­wunsch sowie eine Kin­der­wunsch­kli­nik als Kun­den hat­te.

Ich habe einen elf­jäh­ri­gen Hund, den ich sehr lie­be, rei­se wahn­sin­nig gern und koche am liebs­ten gro­ße Buf­fets für Freun­de.

Unerfüllter Kinderwunsch Depression

Katha­ri­na beim Spa­zier­gang mit ihrem Hund


Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Was hast Du auf Dei­nem Kin­der­wunsch-Weg alles erlebt?

Katha­ri­na:

Ich woll­te schon immer ein Kind haben – es war klar: Mann, Kind, Hund, Kat­ze. Mit mei­ner lan­gen Bezie­hung vor mei­nem Mann setz­te ich die Pil­le ab – wenn es pas­siert, dann pas­sierts. Lan­ge pas­sier­te jedoch gar nichts. Außer, dass mei­ne Schmer­zen kurz vor den Tagen immer schlim­mer wur­den, ich stän­dig krank, schlapp, müde und gereizt war.

Ich check­te mei­nen Zyklus, hab Tem­pe­ra­tur gemes­sen und den Zer­vix­sch­leim beob­ach­tet, aber ich wur­de nicht schwan­ger. Die Schmer­zen waren irgend­wann so stark und ich wirk­lich immer krank, dass ich von Arzt zu Arzt rann­te, aber mir kei­ner sagen konn­te, was ich habe. Also recher­chier­te ich nach eini­gen Jah­ren selbst und kam zu dem Schluss, dass ich wohl an Endo­me­trio­se (einer chro­ni­schen Gebär­mut­ter­schleim­haut­ent­zün­dung) lei­de. Die­se Krank­heit ist nur mit einer Bauch­spie­ge­lung zu erkennen.x

Zu die­sem Zeit­punkt teil­te mir mein dama­li­ger Part­ner mit, dass er nun doch kei­ne Kin­der mehr haben wol­le. Für mich brach eine Welt zusam­men – Was will ich? Gro­ße Lie­be und kei­ne Kin­der oder sind Kin­der für mich Prio­ri­tät? Ich wur­de ope­riert und eini­ge Her­de ent­fernt. Gleich­zei­tig sag­te man mir auf sehr unsen­si­ble Wei­se, dass mei­ne Eilei­ter zu sind und ich auf­grund der Ver­wach­sun­gen kei­ne Kin­der auf natür­li­chem Wege haben wer­de. Ich trenn­te mich also von mei­nem Freund und ging emo­tio­nal sowie kör­per­lich durch die Höl­le.

Durch die OP war mein Bauch auf­ge­bläht wie bei einer Schwan­ge­ren und ich hat­te schreck­li­che Schmer­zen. Kur­ze Zeit spä­ter lern­te ich jedoch mei­nen jet­zi­gen Mann ken­nen und wir hei­ra­te­ten nach zehn Mona­ten Bezie­hung. Er woll­te es mit mir auf künst­li­chem Weg ver­su­chen. Wir fühl­ten uns stark als Team. 3 ½ Jah­re und fünf künst­li­che Befruch­tun­gen (2 IVFs, 3 Kry­os) spä­ter haben wir uns als Paar ver­lo­ren und lei­der getrennt.

Ich ernäh­re mich gesund, habe für die Befruch­tun­gen auf­ge­hört zu rau­chen, trin­ke kaum Alko­hol – wir haben sogar alle unse­re Kos­me­tik- und Haus­halts­pro­duk­te auf bio umge­stellt bzw. auf Mikro­plas­tik unter­sucht und alles, was hor­mo­nell wirk­sa­me Stof­fe ent­hielt, aus­sor­tiert. Mitt­ler­wei­le gehe ich aller­dings wie­der fei­ern und bin nicht mehr so pedan­tisch, was den gesun­den Lebens­stil angeht – wozu auch? Der Mann fehlt eh.

Wir haben Akku­punk­tur, Osteo­pa­thie, Yoga, etli­che Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel und alles, was es an „obendrauf“-Angeboten bei den Kin­der­wunsch­kli­ni­ken gab, aus­pro­biert. Heu­te bin ich in The­ra­pie, da ich star­ke Depres­sio­nen habe und nicht weiß, wo die Rei­se hin­ge­hen soll.


Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Was sind für dich die größ­ten Her­aus­for­de­run­gen und Pro­ble­me in Bezug auf den uner­füll­ten Kin­der­wunsch?

Katha­ri­na:

Der emo­tio­na­le Druck ist wahn­sin­nig hoch. Immer­hin ist man ja immer in den zwei Wochen zwi­schen Ein­set­zen der Embry­os bis zum Schwan­ger­schafts­test schwan­ger. Jeder Fehl­ver­such ist wie eine Fehl­ge­burt. Jede Schwan­ge­re auf der Stra­ße oder noch schlim­mer: im Bekann­ten­kreis ver­setzt einem einen Stich im Her­zen. Man fühlt sich unge­recht behan­delt – auch wenn man die­ses Gefühl gar nicht haben will. Mein Arbeit­ge­ber war zum Glück ver­ständ­nis­voll – aller­dings kann man das nicht immer auch von den Kol­le­gen behaup­ten. Man fehlt recht häu­fig auf der Arbeit. Die Kos­ten sind natür­lich auch ein gro­ßes The­ma, aber da wur­den wir von mei­nen Eltern unter­stützt. Wäre das noch oben­drauf gekom­men, dann wäre der Stress noch grö­ßer gewe­sen.


Jetzt, wo ich mir lang­sam klar­wer­den muss, dass ich wohl kin­der­los blei­ben wer­de, ist es ein stän­di­ger Kampf mit den eige­nen Emo­tio­nen. Ich schwan­ke zwi­schen Neid, Wut, Ver­zweif­lung, Trau­er und abso­lu­ter Hoff­nungs­lo­sig­keit. In letz­ter Zeit kommt zum Wunsch ein­fach Mut­ter zu sein, auch noch der Gedan­ke dar­an, dass ich allein sein wer­de, wenn ich alt bin. Natür­lich ein bescheu­er­ter Gedan­ke, aber da hilft ratio­na­les Den­ken lei­der nicht. Sehr schlimm ist auch, dass man sich im Freundes‑, Bekann­ten- und Fami­li­en­kreis umsieht und denkt: Ihr lebt das Leben, was ich mir so wün­sche.

Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Gab es für dich einen per­sön­li­chen Tief­punkt und wie hast du ihn über­wun­den?

Katha­ri­na:

Der abso­lu­te Tief­punkt war die Tren­nung von mei­nem Mann. Über­wun­den habe ich ihn noch nicht, aber ich arbei­te täg­lich dar­an, wie­der ein hoff­nungs­vol­les Leben zu füh­ren und mir neue Zie­le zu ste­cken.

Weg­wei­ser Kin­der­wunsch: 
Was gibt dir sonst noch Kraft und Mut auf dei­nem Weg?

Katha­ri­na:

Mein Hund – mei­ne ein­zi­ge Kon­stan­te seit elf Jah­ren – hilft mir sehr. Der Aus­tausch mit ande­ren Endo­me­trio­se-Pati­en­ten ist eben­falls wirk­lich gut, denn ande­re Men­schen (selbst wenn es enge Freun­de sind/waren) ver­ste­hen oft nicht, was man fühlt. Bei Kin­der­wunsch-Grup­pen in Face­book muss­te ich stark aus­sor­tie­ren, weil in eini­gen Grup­pen haupt­säch­lich posi­ti­ve Schwan­ger­schafts­tests gepos­tet wer­den. Ich bin noch nicht soweit, dass ich das ertra­ge. Aller­dings ist das auch tages­form­ab­hän­gig.

Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Wie offen gehst Du mit dem uner­füll­ten Kin­der­wunsch um?

Katha­ri­na:

Mei­ne posi­tivs­te und gleich­zei­tig auch nega­tivs­te Eigen­schaft ist wohl, dass ich immer allen offen und ehr­lich erzäh­le, wie es mir geht und was gera­de pas­siert. Des­halb habe ich bei mei­nem damals neu­en Arbeit­ge­ber direkt mit offe­nen Kar­ten gespielt und sowohl von mei­ner Krank­heit als auch den kom­men­den Kin­der­wunsch­be­hand­lun­gen erzählt. Die Chefs haben sehr lieb reagiert – Kol­le­gen teil­wei­se nicht so. Ich fin­de es wich­tig, dass man den Stress­fak­tor „Ver­heim­li­chen“ raus­neh­men soll­te und ein offe­ner Umgang damit hilft.

Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Wur­dest Du in Bezug auf den Kin­der­wunsch mit unsen­si­blen Fra­gen oder Kom­men­ta­ren kon­fron­tiert?

Katha­ri­na:

Oft wird gesagt: „Na, dann adop­tier doch ein­fach“ oder „Dann soll es halt nicht so sein –irgend­wer wird sich ja was dabei gedacht haben, dass es nicht klappt“.

Sowas ärgert mich! Adop­ti­on ist nicht das glei­che wie ein eige­nes Kind und in Deutsch­land gar nicht so ein­fach. Erst recht nicht, wenn man kei­nen Ehe­mann mehr hat. Ich habe mal gele­sen, dass auf ein zu adop­tie­ren­des Kind in Deutsch­land acht Bewer­ber kom­men. Das ist doch Wahn­sinn!

Auch schlimm ist, wenn ange­nom­men wird, dass sich die Natur etwas „dabei gedacht hat“, dass ich kei­ne Kin­der bekom­men kann. Dann dürf­te es auch kei­ne Medi­ka­men­te geben oder ande­re medi­zi­ni­sche Hil­fe – ist ja auch nicht natur­ge­ge­ben. Mit­leid ist aller­dings auch nicht bes­ser. Am bes­ten fin­de ich, wenn jemand ehr­lich sagt: „Oh Mann, das ist ja schei­ße und es tut mir leid!“ Kei­ne ver­meint­li­chen Tipps von Leu­ten, die kei­ne Ahnung haben – als ob man selbst nicht schon alles pro­biert hät­te. Da ich sehr offen mit der künst­li­chen Befruch­tung und Endo­me­trio­se umge­he, kom­men kei­ne Fra­gen wie „Na, wann willst du denn mal ein Kind?“


Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Wie weit wür­dest Du für den Kin­der­wunsch gehen? Gibt es einen Plan B ?

Katha­ri­na:

Momen­tan den­ke ich über ein Pfle­ge­kind nach, aber das ist noch sehr schwam­mig. Die Tren­nung ist noch zu frisch und ich hof­fe eigent­lich eher, dass ich den Weg nicht allein gehen muss. Ich las­se mir noch ein paar Jah­re Zeit und ver­su­che, wie­der zu mir zu fin­den, mich glück­lich zu machen und etwas zu fin­den, was mich erfüllt, damit ich dann evtl. bereit bin, es noch mal künst­lich zu ver­su­chen oder zu adop­tie­ren – mit dem Mann.

Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Wel­che Tipps hast du für ande­re Paa­re mit Kin­der­wunsch?

Katha­ri­na:

Ich wür­de jedem Paar eine beglei­ten­de The­ra­pie emp­feh­len. Außer­dem soll­te man auf den eige­nen Kör­per hören – der sagt schon Bescheid, wenn er Pau­sen zwi­schen den Befruch­tun­gen braucht. Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­tel brin­gen m.E. weni­ger als ein glück­li­cher Kör­per. Den Spaß im Leben nicht ver­lie­ren, die Part­ner­schaft pfle­gen und sich selbst Gutes tun – das sind die wich­tigs­ten Din­ge auf dem Weg zum Kind. Bei der Wahl der Kli­nik wür­de ich mich mit ande­ren Betrof­fe­nen aus­tau­schen und nicht auf Inter­net­be­wer­tun­gen ver­trau­en.


Weg­wei­ser Kin­der­wunsch:
Katha­ri­na, vie­len Dank für dei­ne Offen­heit! Ich wün­sche dir, dass du dich von dem Weg der hin­ter dir liegt schnell erholst. Und was immer die Zukunft auch brin­gen mag, du ein glück­li­ches Leben füh­ren kannst. Ganz viel Glück auf dei­nem Weg. 

Bild­quel­le: depres­sed woman sit­ting in the dark bed­room © Kit­ti­phan – fotolia.com

2 Kommentare
  1. Shirley sagte:

    Ich bin gera­de so über­wäl­tigt wor­den von mei­nen Trä­nen, als ich dei­nen Bei­trag gele­sen habe. Ich bin 31, seit 6 Jah­ren in einer Bezie­hung und wir ver­su­chen es seit etwas über 3 Jah­ren, dass ich „nor­mal“ schwan­ger wer­de. Anfang des Jah­res war ich in einer KiWu Kli­nik und es wur­de eine herz­för­mi­ge Gebär­mut­ter plus endo fest­ge­stellt. Bei­des wur­de in zwei Ope­ra­tio­nen „behan­delt“ doch der Erfolg bleibt aus und ich habe lei­der haar­ge­nau die glei­chen Gedan­ken­krei­se wie du… ich bin kein nei­di­scher Mensch und has­se mich für jedes „nicht freu­en kön­nen für mei­ne Mitmenschen/Freunde/Familie“ aber ich kann es lei­der genau­so wenig kon­trol­lie­ren und so bin ich auch drauf und dran mir „Hil­fe“ zu suchen, um ein­fach aus dem Stru­del dem ein­sei­ti­gen raus­zu­kom­men. Mir fehlt da im Moment lei­der auch die Per­spek­ti­ve einen ande­ren Weg für mich zu erken­nen… ich bin in Gedan­ken auf jeden­fall bei dir und kann dich sehr gut ver­ste­hen. Alles alles lie­be und gute wei­ter­hin!!!

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  2. Nina sagte:

    Ein sehr ehr­li­ches Inter­view von Katha­ri­na, wie ich fin­de. Ich kann mich dort zu 100 % wie­der­fin­den.
    Auch ich bin 33 Jah­re alt und mein Mann und ich haben bereits meh­re­re erfolg­lo­se künst­li­che Befruch­tun­gen hin­ter uns.
    Als wir am Anfang der Behand­lun­gen stan­den, hät­te ich die­sen Druck und die psy­chi­sche Belas­tung nie­mals als so hoch ein­ge­schätzt. Neid, Wut und Hoff­nungs­lo­sig­keit, Gefüh­le die man vor­her eher sel­ten erleb­te, wer­den unter der “KiWu-Spi­ra­le” all­täg­lich.
    Egal, wie Dein Weg wei­ter­geht, ich wün­sche Dir alles Lie­be Katha­ri­na…

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