Ich bin keine Mutter. Ich bin Tante, Schwester, Freundin und Frau.
Ein Kind zu bekommen, das ist für viele die natürlichste und einfachste Sache der Welt. Aber was, wenn es nicht klappt? Ulla hat es erlebt. In ihrem Podcast und auf Instagram redet sie darüber — ehrlich und tiefgründig, gelegentlich mit einem Augenzwinkern. Heute freuen wir uns über Ullas Gedanken zum Thema “Ich bin keine Mutter” hier als Gastbeitrag.
Instagram: @meineunfruchtbarentage
Podcast: www.unfruchtbaretage.de
Die Kinder, die ich hielt, waren nie meine.
Die Kinder, die ich hielt, waren nie meine. Das erste war meine Schwester. Sie kam auf den Tag genau acht Jahre nach meinem Bruder zur Welt. Von da an wollte ich auch ein Baby zum Geburtstag bekommen. Für mich war sie wie ein Geschenk. Ich erinnere mich daran, wie sie im Krankenhausbett in den Armen meiner Mutter lag. Ein kleines Bündel Mensch mit rosafarbenem Gesicht.
Sie sah nicht wie meine Puppen aus, ihre Haut war faltig. Und doch war sie mir sofort so viel mehr wert als alle Puppen der Welt. Meine Mutter band ihr später die blonden Locken zu einem Zopf zusammen. Wir teilten uns ein Zimmer, ich dachte mir Spiele für sie aus. Auf der Rückbank im Auto lag ihr Kopf immer abwechselnd auf meiner Schulter und der Schulter meines Bruders. Ich liebte es, mit ihr zu spielen, sie auf dem Arm zu tragen. Ich war so gerne große Schwester.
Ich trug Kinder und trocknete Tränen, aber ich bin keine Mutter
Nach ihr gab es viele weitere Kinder, die ich hielt. Auch sie waren nie meine. Ich trug und wickelte die Kinder im Kindergarten, als ich dort Praktika machte. Ich trocknete die Tränen und machte die Betten der Kinder meiner Gastfamilie in London. Ich sang Einschlaflieder, unermüdlich, bis die kleinen Augen zufielen.
Und während meines Studiums hütete ich beinah täglich die Kinder fremder Menschen. Ich wickelte sie mir im Tragetuch an den Oberkörper, schob sie im Kinderwagen herum, hielt ihre Hände, als sie laufen lernten, half ihnen, das Klettergerüst zu erklimmen, betreute sie bei den Hausaufgaben. Ich schnitt Gemüse und Brot, kochte für sie. Ich kämmte Läuse aus ihren Haaren, stand ihnen bei, wenn sie krank waren.
Ich fühlte mich gut vorbereitet auf das, was ich eines Tages mit Sicherheit erleben würde: eine Mutter sein, eigene Kinder haben.
Kein Kind hat sich in meinem Bauch entwickelt
Kinder haben in meinen Armen gelegen, auf mir geturnt, ihre klebrigen Hände nach dem Essen an mir abgewischt, sie haben mir ihre Tränen anvertraut und ihr Lachen. Ihre warmen Körper, klein und schutzbedürftig. Ihren Herzschlag an meiner Haut.
Doch kein Kind hat sich in meinem Bauch entwickelt, kein Fuß, kein Arm hat je von innen geboxt. Die beiden kurzen Schwangerschaften waren viel zu früh beendet. Was ich für selbstverständlich hielt, ist nicht eingetreten.
Und manchmal wünschte ich, ich hätte nicht so viel Zeit mit Kindern verbracht, denn dann wüsste ich nicht so genau, was mir heute fehlt.
Ich bin keine Mutter. Ich bin Tante, Schwester, Freundin und Frau.
Das Kind, das ich zuletzt hielt, war das Kind meiner Schwester. Ein kleiner warmer Körper, der meine Nähe sucht, ein Lockenkopf, der sich an meiner Schulter ausruht. Ich möchte sie schützen vor meiner Trauer, sie ungetrübt lieben, so wie sie mich liebt.
Ich bin keine Mutter, ich bin Tante, Schwester, Freundin und Frau. Ich werde weiter trösten, tragen, helfen, hüten, singen, spielen, da sein.
Über die Autorin
Instagram: @meineunfruchtbarentage
Podcast: www.unfruchtbaretage.de
Ich bin Claudia. Kinderwunsch-Bloggerin mit über 10 Jahren eigener Kinderwunsch-Erfahrung: Endometriose-Fighterin, IVF-Kennerin, ICSI-Schwester, Pimp my Eggs Befürworterin und Initiatorin der Kinderwunsch-Bewegung #1von7
Sehr schöner Text. Ich habe ihn bei Instagram schon gelesen und mich sehr darin wieder gefunden. Das alles bin ich auch. Und zusätzlich noch Stiefmutter. Das ist unfassbar nah dran und dabei unfassbar weit weg…