Uner­füll­ter Kin­der­wunsch: Die Sache mit der Offen­heit

Mei­ne Gedan­ken krei­sen immer wie­der um das The­ma offe­ner Umgang mit dem Kin­der­wunsch. Es bro­delt in mir ob es mir mit offe­nen Kar­ten bes­ser gehen wür­de. War­um anonym blei­ben? War­um nicht offen sein im Freun­des- und Bekann­ten­kreis? Wovor habe ich Angst?

Ein Gast­bei­trag von @blauewunschpunkte (Insta­gram-Name)

Zu Beginn unse­rer Kin­der­wunschrei­se waren wir rela­tiv offen.

Dass mein Mann ste­ri­li­siert war wuss­ten alle, und dass ich einen gro­ßen Kin­der­wunsch habe auch. Daher war eigent­lich für alle klar, dass wir nur mit Hil­fe ein Kind bekom­men kön­nen. Zu Beginn war auch alles noch so auf­re­gend. Theo­re­tisch könn­te ich ja bald schwan­ger sein. Ich war mit 35 noch nicht zu alt (auch wenn mei­ne Freun­din­nen mitt­ler­wei­le schon alle Mut­ter gewor­den sind) und daher guter Din­ge, dass es bald klappt. Dass der Weg lang wer­den wür­de ahn­te kei­ner. Alle rede­ten uns gut zu und wir selbst waren auch davon über­zeugt, dass es bald klap­pen wird.

Offen­heit im Kin­der­wunsch geht nur ganz oder gar nicht.

Nur unse­ren Fami­li­en gegen­über waren wir etwas zurück­hal­ten­der. Aber wer will schon mit sei­nen Eltern sein Sex­le­ben dis­ku­tie­ren?! Außer­dem woll­ten wir uns den Über­ra­schungs­mo­ment bei einer Schwan­ger­schafts­ver­kün­dung erhal­ten. Als die Dia­gno­se OAT 3 fest­stand wur­de ich etwas ner­vös. Ich ahn­te lang­sam was auf uns zukom­men soll­te. Und da began­nen auch mei­ne Zwei­fel, wie offen wol­len wir sein? Wol­len wir im Freun­des- Bekann­ten­kreis über unse­ren Weg infor­mie­ren und wenn ja wie­viel wol­len wir Preis geben? Geht es nur im klei­nen Kreis offen zu sein? Ohne, dass Tan­te Erna und Cou­sin Otto, die Nach­ba­rin der Schwie­ger­el­tern oder der Kol­le­ge davon erfah­ren. Und wel­che Reak­tio­nen kann ich ertra­gen? Bei uns sind Pri­va­tes und Beruf­li­ches sogar Fami­liä­res eng mit­ein­an­der ver­bun­den. Offen­heit geht im Prin­zip nur ganz oder gar nicht.

Wer über sei­nen uner­füll­ten Kin­der­wunsch spricht, outet sich auch auf ande­ren Ebe­nen

Wer über sei­nen uner­füll­ten Kin­der­wunsch spricht, outet sich auch auf ande­ren Ebe­nen, es geht auch um finan­zi­el­le, ethi­sche, die Bezie­hung betref­fen­de The­men, oft müs­sen sich Paa­re erklä­ren oder recht­fer­ti­gen war­um sie einen bestimm­ten Weg gehen.

Am Anfang sieg­te noch unse­re Neu­gier und damit ver­bun­de­ne Eupho­rie. Wir waren ein­fach über­zeugt bald Eltern zu wer­den und die Freu­de woll­ten wir auch tei­len. So ver­sorg­ten wir enge Freun­de mit dem Ver­lauf der Behand­lun­gen. Alle waren sich sicher, dass es schnell klappt und jeder kann­te eine Geschich­te von irgend­ei­nem Paar, das auch dach­te, es kann kei­ne Kin­der bekom­men und bei ALLEN hät­te es ja geklappt. Was waren wir naiv.

Dass die­se Geschich­ten nicht immer die Rea­li­tät abbil­den wur­de mir erst so nach und nach bewusst. Mit jedem nega­ti­ven Ver­such sank mei­ne Eupho­rie. Posi­ti­ver Opti­mis­mus schlug in nega­ti­ven Pes­si­mis­mus um. Nach und nach wur­de uns und unse­ren Freun­den bewusst, dass wir ein Här­te­fall wer­den könn­ten. Die Durch­hal­te­pa­ro­len wur­den lei­ser, statt­des­sen gab es mehr oder weni­ger klu­ge lai­en­haf­te Tipps, dazu mit­lei­di­ge Bli­cke und semi­hilf­rei­che Kalen­der­sprü­che.

Ich beschloss, um uns zu schüt­zen nichts mehr zu erzäh­len.

Nach 2 Jah­ren hat­te ich das Gefühl eigent­lich glaubt kei­ner mehr so recht, dass das noch was wird. Ich beschloss um uns zu schüt­zen, nichts mehr zu erzäh­len. Wer möch­te auch noch die immer glei­chen Geschich­ten hören. Ich fühl­te mei­ne Trau­rig­keit über den uner­füll­ten Kin­der­wunsch nicht mehr ver­stan­den. Die 40 rück­te dazu immer näher. Ich fühl­te mich aufs Abstell­gleis gescho­ben. Hat­te den Anschluss an die Freun­din­nen, die nun die zwei­ten und drit­ten Kin­der beka­men, ver­passt.

Wenn ich mich doch mal hin und wie­der öff­ne­te prall­te mir Rat­lo­sig­keit ent­ge­gen, viel­leicht soll es nicht sein, ich soll froh sein über das was ich habe, ob wir schon das und das aus­pro­biert hät­ten und bei xy hät­te es ja jetzt geklappt. Ich spür­te dass die meis­ten nicht damit umge­hen konn­ten.

Auf man­che Fra­gen gibt es ein­fach kei­ne Ant­wor­ten.

Die Kin­der­wunsch­be­hand­lun­gen sind zu abs­trakt, dazu eine gewis­se Skep­sis gegen­über der Repro­duk­ti­ons­med­zin. Es ist manch­mal gar nicht so ein­fach ohne in die Tie­fe zu gehen die Abläu­fe zu erklä­ren. Auf man­che Fra­gen gibt es ein­fach kei­ne Ant­wor­ten. Mit Lai­en dar­über zu dis­ku­tie­ren emp­fin­de ich meist als anstren­gend und auf­wüh­lend. Auf der ande­ren Sei­te blei­ben die ande­ren oft betrof­fen zurück, man spürt, dass sie mit­lei­den und man die­ses Leid irgend­wie mit­trägt.

Immer wie­der gab es Situa­tio­nen, in denen ich mich sehr zusam­men rei­ßen muss­te, nicht unan­ge­bracht zu reagie­ren. Aber war­um dann nicht ein­fach erklä­ren, war­um man alles nicht mehr erträgt? Ich mer­ke seit län­ge­rem, dass ich mich eigent­lich ger­ne outen möch­te. Aber es fällt mir schwer. Ich füh­le mich dann angreif­bar. Vie­le wer­den sicher­lich nicht ver­ste­hen war­um wir so lan­ge dabei sind und so viel Geld inves­tie­ren. Ich füh­le mei­nen Kin­der­wunsch oft rela­ti­viert. Weil er ja nicht lebens­be­droh­lich ist. Auch kin­der­los ist ja ein gutes Leben mög­lich. Man braucht ein dickes Fell. Immer wie­der die fra­gen­den mit­lei­di­gen Bli­cke.

Bei mir spielt auch eine gewis­se Scham mit rein, es nicht hin­zu­krie­gen, Unzu­läng­lich­keit, irgend­wie ein Leis­tungs­druck, dazu das fort­schrei­ten­de Alter, in dem Alter will sie noch Kin­der? Manch­mal möch­te ich es her­aus­schrei­en, aber kei­ne Fra­gen beant­wor­ten. Ich selbst bin eher eine Per­son, die vie­les mit sich selbst aus­macht, ungern im Mit­tel­punkt steht und ein­fach nur ganz nor­mal sein will. Ist da ein offe­ner Umgang über­haupt mög­lich?

Wer offen damit umgeht, muss sich oft recht­fer­ti­gen. Es ist eine Zwick­müh­le zwi­schen Offen­heit und Geheim­hal­tung. Ein Tabu, weil es nur einen klei­nen Kreis betrifft, der dafür oft auch noch selbst ver­ant­wort­lich gemacht wird — Stich­wort „zu lan­ge gewar­tet“.

 

Es macht mich wütend, dass Paa­re sich für ihren Kin­der­wunsch ver­tei­di­gen müs­sen.

Die, die nicht betrof­fen sind, sind dar­über heil­froh dar­über. Dazu ertra­gen sie nicht das Leid der Kin­der­wunsch­paa­re. Je älter ich wer­de umso ver­schlos­se­ner wer­de ich. Mut­lo­sig­keit erfasst mich. Die Reak­tio­nen, die ich bekam, fühl­ten sich häu­fig nach Gegen­wind an. Es macht mich wütend, dass Paa­re sich für ihren Kin­der­wunsch ver­tei­di­gen müs­sen. Teil­wei­se herr­schen haar­sträu­ben­de Vor­ur­tei­le. Wer die Kom­men­ta­re in den sozia­len Medi­en liest, weiß wovon ich spre­che. Da wer­den wil­de The­sen auf­ge­stellt, dass alles “künst­li­che” wider die Natur sei und nicht Gott gege­ben.

Ist es nicht mei­ne Pflicht auf­zu­klä­ren? So lan­ge ich noch in der Pha­se der Umset­zung bin, fällt es mir wirk­lich schwer. In mei­ner Vor­stel­lung erscheint es mir leich­ter dar­über zu spre­chen, wenn unser Weg zu Ende ist sei es mit oder ohne Kind.

Fotos:

@canva.com — Woman with red cross tapes
@canva.com — Girl fee­ling lonely
@canva.com — Woman Gal­lo­ne and depres­sed
@canva.com — Cou­ple in Love

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