Mei­ne bes­te Freun­din ist schwan­ger — ein offe­ner Brief

Meine beste Freundin ist schwanger und bekommt ein Baby.
Nor­ma­ler­wei­se soll­te dies ein ganz beson­de­rer und glück­li­cher Moment sein — dei­ne bes­te Freun­din ist schwan­ger und erwar­tet ein Baby. Sie ist über­glück­lich dir dies mit­zu­tei­len. Aber was ist schon nor­mal, wenn man sich selbst seit lan­ger Zeit selbst ein Kind wünscht und ein­fach nicht schwan­ger wird?! Auf der einen Sei­te wür­dest du dich natür­lich ger­ne mit­freu­en und die Schwan­ger­schaft zusam­men mit dei­ner Freun­din erle­ben.
Auf der ande­ren Sei­te nagt Neid, Trau­er und Wut in dir. Auch Wut auf dich selbst, weil du nicht in der Lage bist, das Glück zu tei­len. Stell­ver­tre­tend für unge­wollt kin­der­lo­se Frau­en habe ich einen Brief geschrie­ben, adres­siert an die schwan­ge­re Freun­din, Schwes­ter oder Arbeits­kol­le­gin­nen. Viel­leicht hilft er dir, weil du dich selbst dar­in wie­der­kennst. Oder du teilst ihn mit dei­ner Freun­din, um ihr zu sagen, wie es dir geht.

 

lei­der muss ich zuge­ben, dass ich mich seit lan­ger Zeit vor die­sem Tag  gefürch­tet habe — der Tag an dem du mir sagst, dass du schwan­ger bist. Eigent­lich soll­te dies ein ganz beson­de­rer Tag unse­rer Freund­schaft sein. Du erzählst mir von dei­nem Glück, wir fal­len uns in die Arme und ver­drü­cken vor Glück ein paar gemein­sa­me Trä­nen. So hat­te ich mir das zumin­dest frü­her vor­ge­stellt — damals als ich noch nicht wuss­te, wie unge­mein schwie­rig es für mich selbst ist, ein Kind zu bekom­men.

Es fällt mir schwer offen zuzu­ge­ben, dass ich nei­disch bin.

Ich bin nei­disch dar­auf, dass du bald erfah­ren wirst, wie es ist, wenn neu­es Leben in dir her­an­wächst. Nei­disch dar­auf, wenn du spürst, wie sich das Kind in dir ent­wi­ckelt und zum ers­ten mal bewegt. Nei­disch dar­auf, wenn dein Mann sei­ne Hand freu­dig auf dei­nen Bauch legen wird. Nei­disch auf die Erfah­run­gen einer Geburt, die schmerz­haft sein wird, aber zugleich auch das größ­te Glück im Leben eines Paa­res bedeu­tet. Nei­disch dar­auf, dass ihr bald eine Fami­lie seid und du dein Kind her­an­wach­sen siehst. Und ich habe Angst. Gro­ße Angst, dass ich dies alles nie­mals erle­ben und erfah­ren darf.

Ich habe Schuld­ge­füh­le, weil ich nei­disch bin.

Ich habe dir zur Schwan­ger­schaft gra­tu­liert und so getan, als ob ich mich rie­sig für dich freue. Natür­lich freue ich mich für dich. Aber tief in mir kann ich trotz­dem kei­ne rich­ti­ge Freu­de emp­fin­den. Als ich allei­ne war, habe ich sogar geweint. Geweint, weil ich nei­disch bin auf alles was du bald erle­ben wirst, geweint über mein eige­nes Kind, das viel­leicht nie­mals gebo­ren wird und geweint über mich selbst. Wie kann ich nur so nei­disch sein auf mei­ne bes­te Freun­din? Ja, ich habe gro­ße Schuld­ge­füh­le des­halb.

Ich lese viel im Inter­net über den uner­füll­ten Kin­der­wunsch und weiß, dass die­se Gefüh­le nor­mal sind. Vie­le Frau­en spre­chen online anonym über ihre Neid- und Schuld­ge­füh­le. Aber es ist immer noch Tabu die­se Gefüh­le offen aus­zu­spre­chen. Nicht alle Frau­en sto­ßen auf Ver­ständ­nis, wenn sie über ihre Sor­gen und Ängs­te spre­chen. Ich hof­fe, dass du mich ver­ste­hen kannst.

Ich bin trau­rig, wütend und habe Angst.

Nicht schwan­ger zu wer­den, ist für mich ein schwe­rer Schick­sals­schlag und macht mich jeden Tag unend­lich trau­rig. Ich bin trau­rig dar­über, dass sich mein größ­ter Wunsch nicht erfüllt und ande­re die­ses Glück erfah­ren dür­fen. Und es macht mich wütend, dass ande­re teil­wei­se so selbst­ver­ständ­lich mit ihrem Glück umge­hen, ohne es wert­zu­schät­zen. Außer­dem habe ich Angst, dass aus­ge­rech­net wir in die­ser Hin­sicht ver­sa­gen wer­den: “Alle Welt wird ein­fach schwan­ger. War­um nicht wir?!”

Oft bekom­men wir gute Rat­schlä­ge “Ent­spannt euch doch mal”, “Im Urlaub klappt es bestimmt”, “Ihr dürft nur nicht mehr dran den­ken”. Das macht es nicht ein­fa­cher, im Gegen­teil unse­re Trau­er, Angst und Wut wird mit jedem die­ser Rat­schlä­ge grö­ßer.

Es ist auch für dich kei­ne ein­fa­che Situa­ti­on.

Du wünschst mir, dass ich schwan­ger wer­de. Viel­leicht wärst du sogar froh gewe­sen, wenn ich vor dir posi­tiv getes­tet hät­te. Schließ­lich pro­bie­ren wir es schon eini­ge Zeit län­ger. Du bist dir jetzt bestimmt unsi­cher, wie du dich mir gegen­über ver­hal­ten sollst. Das ist auch für dich nicht ein­fach. Aber ich weiß, dass du ver­stehst, wenn ich Zeit brau­che.

Es wird Tage geben, an denen ich mich offen mit dir freu­en kann. Es wird aber auch Tage geben, an denen ich mich zurück­zie­he und Abstand brau­che. Ich weiß selbst noch nicht, was über­wie­gen wird. Ich hof­fe, du kannst dies ver­ste­hen und gibst mir Zeit. Zeit, in der ich mich an die neue Situa­ti­on gewöh­nen kann.

Auch wenn ich mich eine zeit­lang zurück­zie­hen soll­te, musst du wis­sen, dass dies nichts mit unse­rer Freund­schaft zu tun hat. Vor allem, weil wir uns so nahe ste­hen, löst dei­ne Schwan­ger­schaft die­se kom­pli­zier­ten Gefüh­le in mir aus. Ich wür­de dich so ger­ne in die­ser beson­de­ren Zeit beglei­ten, aber ich bin lei­der nicht immer in der Lage dazu.

Dan­ke für dein Ver­ständ­nis.


Auch wenn sich unse­re Freund­schaft durch die Schwan­ger­schaft und das Baby ver­än­dern wird, sollst du wis­sen, dass du immer mei­ne Freun­din blei­ben wirst. Ich bin froh, dass wir für­ein­an­der da sind. In guten und in schwie­ri­gen Zei­ten.

 

 

Bild­quel­le Titel­fo­to: © Maga­li­ce – fotolia.com #35958355

2 Kommentare
  1. Hasenmutti sagte:

    Bei mir ist es schon sehr lan­ge her (13 Jah­re), aber ja, genau­so fühlt es sich an. Ich ver­ste­he den Schmerz, das Leid, die Ver­zweif­lung, die Wut, die Trau­er, all das, was euch (noch) kin­der­lo­se bewegt. Ihr seid nicht allein.
    Fühlt euch umarmt!

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  2. Laura sagte:

    Genau das ist das was ich emp­fin­de wenn jemand in mei­ner Umge­bung schwan­ger ist! Ich möch­te mich so ger­ne freu­en den­ke aber nur wie­so ich nicht?

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